Geschichte > Geschichte des Stifts
ZUR GESCHICHTE DES STIFTES
Die Gründung der Zisterzienserabtei Viktring erfolgte im Jahre 1142 durch Graf Bernhard von Spanheim. Die ersten Mönche kamen aus Weiler-Bettnach in Lothringen und galten als große Landwirtschaftslehrer, die weite Gebiete rodeten und für den Verkehr erschlossen. Mit ihnen kam auch die damals in Europa führende französische Theologie nach Kärnten.
1150 begann man mit dem Bau der Klosterkirche - einer für Österreich einzigartigen burgundisch-zisterziensischen Pfeilerbasilika.
Durch Kauf, Tausch und Schenkungen erstreckten sich die klösterlichen Besitzungen bald über weite Gebiete Unterkärntens, der Südsteiermark und Krains. Der wirtschaftlichen Blütezeit folgte unter der Amtszeit von Abt Johann II (1312-1345), einem der bedeutendsten Geschichtsschreiber des Spätmittelalters, auch eine kulturelle. Im 14. Jahrhundert erfolgten gotische Zubauten an der Kirche, und um 1400 kam es zum Einbau der bedeutenden Glasgemälde in den Chorschlussfenstern. Kaiser Friedrich III stiftete dem Kloster einen Marienaltar, der sich heute als „Wiener Neustädter Altar" im Stephansdom befindet. In der Zeit der Reformation erfolgte ein Niedergang der Abtei in wirtschaftlicher und religiöser Hinsicht, doch schon in der Gegenreformation zeichnete sich ein neuerlicher Aufschwung ab, welcher schließlich im 18. Jahrhundert zu einem großzügigen Umbau der Klostergebäude führte.
Das heutige Antlitz - die wohl großartigste barocke Stiftsanlage Kärntens - geht im wesentlichen auf jene Zeit zurück. 1786 fiel auch Viktring der Klosteraufhebung Kaiser Josephs II zum Opfer. Die Kirche wurde Pfarrkirche, das Kloster mit den dazugehörigen Grundstücken ersteigerten 1789 die Brüder Moro, die hier eine Tuchfabrik einrichteten, welche um 1800 bereits 800 Arbeiter beschäftigte. 1843 wurde die Stiftskirche teilweise abgetragen, wobei weniger als die Hälfte des romanischen Bestandes übrigblieb. Die reizvolle Umgebung und das großzügige Mäzenatentum der Familie Moro ließen Viktring zu einem Ausgangs- und Anziehungspunkt vieler bedeutender Künstler werden. Der „Viktringer Künstlerkreis“ vereint Namen wie Markus Pernhart, Hans Gasser, Ludwig und Josef Willroider, Thomas Koschat, Josef F. Perkonig, Karl Truppe und Theodor von Botka.
Nach der Insolvenz der Tuchfabrik übernahm 1970 die Republik Österreich das gesamte Areal und die von einem offenen Kunstsinn so erfüllten, altehrwürdigen Mauern kamen 1972 und 1973 in ein beträchtliches Schwingen, als das „Internationale Musikforum" unter der Leitung von Friedrich Gulda über die Bühne ging.
Seine bislang letzte Bestimmung als Heimstätte der Kunst und Bildung fand das Stift in der Unterbringung eines Bundesrealgymnasiums mit besonderer Berücksichtigung der musischen Ausbildung. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich die Schule zu einem wichtigen Kulturträger Kärntens. Die bedeutendste, weit über die schulischen Möglichkeiten hinausgehende künstlerische Ausstrahlung erzielt aber das Neue Musikforum Klagenfurt-Viktring. Für drei Wochen im Juli bevölkern mehr als zweihundert Musikstudenten aus fast allen Ländern Europas Haus und Park, um zu musizieren und von international renommierten Künstlern neue Anregungen zu erhalten. In jedem Raum wird geübt, das ganze Haus wird Musik. Man muss einen Sommerabend bei Jazz oder Kammermusik im prachtvollen Arkadenhof erlebt haben, um zu verspüren, wie sehr diese ehrwürdigen Mauern wieder zu einem Hort der Künste geworden sind, viel mehr noch als je zuvor, weil es die Jugend ist, die davon Besitz ergriffen hat.
(Scherzer, Rudolf: Die Bedeutung des Stiftes Viktring als Kulturstätte der Gegenwart - 15 Jahre
Bundesrealgymnasium Klagenfurt-Viktring. in Stift Viktring 1142 - 1992, Ktn. Universitätsdruckerei Klagenfurt 1992, S. 138)
Die Stiftskirche
Nach 60jähriger Bauzeit wurde die Klosteranlage mit der Kirche fertiggestellt und 1202 eingeweiht. Der harten Askese des Reformordens entsprach auch die architektonische Gestaltung, das Streben nach Vereinfachung und Nüchternheit. Dies als ein Protest gegen die Prachtentfaltung der Kluniazenser, einem Luxus, der bereits Verfallserscheinungen zeigte. Der neue Kirchentypus entwickelte sich aus der burgundischen, romanischen Bautradition, wobei die Abteikirche Fontenay in Burgund einen Prototypus für viele neue Klostergründungen, wie auch für Viktring, vorgab. Die fast asketisch anmutende Ablehnung von schmückendem Beiwerk wurde noch im 12. Jh. eingehalten, im 13. Jh. erfolgte eine Lockerung und die Orden begannen, ihre Kirchen den Bischofskirchen in der Ausgestaltung anzugleichen. Ohne diese Entwicklung hätte Viktrings Stiftkirche ihr kunsthistorisches Juwel, die gotischen Glasfenster, nicht erhalten können.
Das geometrische Prinzip ist sowohl im Grundriß wie im Aufriß der Kirche Viktring klar ablesbar. Neben dem Gleichheitsverhältnis von 1:1 im Chorquadrat, dem Mittel- und Querschiff, steht das Verhältnis von 1:2:4:8 beim Langhaus und den Seitenschiffen. Wir beklagen heute den Abbruch des Kirchenschiffes im Jahr 1843 um mehr als die Hälfte der ursprünglichen Länge. Dieser Eingriff veränderte nachteilig die angegebenen Maßverhältnisse.
Das Besondere der Viktringer Stiftskirche ist jedoch die erhaltene, bzw. die der ursprünglichen nachgebildete Spitzbogentonne. Sie ist damit das einzige in Österreich vorhandene Beispiel des "bernhardinischen Bauplans" der burgundischen Zisterzienserbaukunst. Dazu gehörte auch der schlichte, ziegelrot gefärbte Estrichfußboden, der im Zuge der Restaurierung 1991 unter den Marmorplatten des derzeitgen Bodenbelages aufgefunden werden konnte.
Im 15. Jh. entstanden die gotischen Deckenfresken, auch die paarigen nordseitigen Kapellen der Querhausarme (die südseitigen wurden nicht ausgebaut), das Rautensternrippengewölbe. Auch der romanische Kreuzgang erhielt in dieser Zeit den Einbau der spätgotischen Sakristei, wie dies die gotischen Fensterwände sichtlich machen. Nur von hier aus ist das ehemalige romanische Südportal, die Mönchspforte, zu besichtigen. Das zweistufige Säulenportal ist durch sparsame Schlichtheit gekennzeichnet.
Der vierstöckige Hochalter von 1622 zählt zu den größten und frühesten Barockaltären Kärntens. Seine Konzeption nahm auffallend Bedacht auf eine diaphane Wirkung im Hinblick zum gotischen Chor mit seinem kostbaren Glasgemäldeschmuck.
Wie viele Altäre dem Laufe der Zeit zum Opfer fielen ist nicht bekannt, aus der Barockzeit sind noch drei Altäre und die Orgel von 1719 erhalten.
Der Künstler der großen Pietà-Gruppe in neugotischer Fassung im nördlichen Seitenschiff auf dem barocken Kenotaph ist unbekannt. Neben dem großen Kruzifix ist diese Gruppe das jüngste Kunstwerk der Stiftskirche im historischen Stil der zweiten Hälfte des 19. Jh.
Der älteste Grabstein, aus der Zeit der Klosterbesiedlung, und zwei weitere romanische Grabsteine dokumentieren romanische Grabplastik.
(Reichmann-Endres, Elisabeth: Zur kunsthistorischen Bedeutung von Kirche und Stift Viktring. in Stift Viktring 1142 - 1992, Ktn. Universitätsdruckerei Klagenfurt 1992, S. 51f.)